Nachhaltig wirtschaften bedeutet – verkürzt gesagt –, so zu handeln, dass weder heutige noch zukünftige Generationen daran gehindert werden, ihre Bedürfnisse zu stillen. Wie gut das für das eigene Geschäft klappt, fassen immer mehr Unternehmen in sogenannten Nachhaltigkeitsberichten zusammen. Was genau verbirgt sich dahinter?
Nachhaltigkeit ist nicht gleichzusetzen mit Umweltschutz, auch wenn der eine große Rolle spielt.
Die drei Säulen der Nachhaltigkeit
Ein Unternehmen, das nachhaltig agieren will, muss sich mit drei Säulen befassen: mit der Ökonomie, der Ökologie und mit sozialen Fragen.
- In der Ökonomie geht es um Fragen der Unternehmensstrategie, darum, wirtschaftliche Risiken und Chancen für das Unternehmen zu erkennen und zu vermeiden bzw. zu nutzen. An dieser Stelle geht es um die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells Ihres Unternehmens, aber auch um Korruptionsbekämpfung und Infrastrukturinvestitionen.
- Bei der zweiten Säule, der Ökologie, stehen die klassischen Umweltthemen im Vordergrund: Wie viel CO2 setzt Ihr Unternehmen frei und wie hoch ist sein Wasserverbrauch? Wie viele Abfälle produzieren Sie und wie werden diese entsorgt?
- Die dritte Säule beschäftigt sich mit sozialen Fragen. Hier geht es um die Rechte von Arbeitnehmern, um Weiterbildungsmöglichkeiten, um die Vermeidung von Diskriminierung und Ähnliches.
In Nachhaltigkeitsberichten werden die Daten zu diesen und weiteren Fragen systematisch erfasst, der Ist-Zustand analysiert und Maßnahmen in Sachen Nachhaltigkeit erläutert.
Das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz
Die Themen „Nachhaltigkeit“ und „Nachhaltigkeitsberichte“ sind vor allem seit dem 1. Januar 2017 in den Blickpunkt von Firmenlenkern gerückt. An diesem Tag trat (rückwirkend) das „Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)“ in Kraft, das bestimmte Unternehmen dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und zu veröffentlichen.
Welche Unternehmen müssen berichten?
Die Berichtspflicht nach § 289b HGB trifft nur einen kleinen Teil der deutschen Unternehmen, nämlich Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern. Das schränkt die Zahl der betroffenen Unternehmen stark ein: Nur etwa 560 Unternehmen sind in Deutschland gesetzlich dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und zu veröffentlichen (Stand Anfang 2019).
Wer verfasst noch Nachhaltigkeitsberichte?
Darüber hinaus schreiben aber noch weit mehr Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte:
- Teilweise werden Lieferanten und Dienstleister von ihren Kunden dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu schreiben. So wollen Letztere die Nachhaltigkeit in der Lieferkette nachweisen.
- Manche Städte und Gemeinden schreiben ihren kommunalen Unternehmen – wie etwa Stadtwerken, Verkehrsbetrieben oder Wohnungsbauunternehmen – vor, einen Nachhaltigkeitsbericht zu verfassen.
- Und wieder andere Unternehmen bemühen sich schon seit Jahren um nachhaltiges Handeln. Sie erfassen und veröffentlichen freiwillig Berichte, um ihre Kunden, Lieferanten und interessierte Dritte über ihre Aktivitäten zu informieren.
Wie sieht ein Nachhaltigkeitsbericht aus?
Das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz ist in weiten Teilen sehr schwammig formuliert. Gefordert sind darin Angaben zu Umweltbelangen (etwa zu Treibhausgasen, zur Luftverschmutzung und zur Erhaltung der Artenvielfalt), zu Arbeitnehmerbelangen (etwa zur Gewährleistung der Geschlechtergleichstellung und zum Gesundheitsschutz), zu sozialen Belangen (wie zum Schutz lokaler Gemeinschaften) etc. Allerdings macht das Gesetz keine konkreten Vorgaben, in welcher Form und in welcher Tiefe diese Berichterstattung zu erfolgen hat.
Die meisten Unternehmen nutzen einen sogenannten Berichtsrahmen, mit denen sie standardisiert ihren Nachhaltigkeitsbericht erstellen können. Die beiden bedeutendsten Berichtsrahmen für deutsche Unternehmen sind die GRI-Standards und der Deutsche Nachhaltigkeitskodex.
GRI Sustainability Reporting Standards
GRI ist eine internationale Organisation, die den weltweit wichtigsten Berichtsrahmen herausgibt, die GRI Sustainability Reporting Standards (GRI SRS). Berichte, die nach diesem Rahmen erstellt werden, beginnen mit allgemeinen Angaben zum Unternehmen und behandeln anschließend die drei genannten Kategorien „Ökonomie“, „Ökologie“ und „Soziales“. Dabei werden viele verschiedene Themen angesprochen, die wiederum nach Indikatoren betrachtet werden.
Dazu ein Beispiel: Der Standard GRI 301 gehört zur Kategorie „Ökologie“ und behandelt das Thema „Materialien“. Unternehmen, die über das Thema „Material“ nach GRI-Standard berichten wollen, sollen folgende Angaben machen:
- die eingesetzten Materialien nach Gewicht oder Volumen (Angabe GRI 301-1),
- die eingesetzten recycelten Ausgangsstoffe (Angabe GRI 301-2) sowie
- die wiederverwerteten Produkte und ihre Verpackungsmaterialien (Angabe GRI 301-3).
Als Indikatoren gelten dann bei GRI 301-1
- das Gesamtgewicht oder -volumen der eingesetzten nicht erneuerbaren Materialien und
- das Gesamtgewicht oder -volumen der eingesetzten erneuerbaren Materialien.
Diese beiden Indikatoren sind für diesen Standard verpflichtend. Daneben gibt es noch Empfehlungen, welche Materialien aufzunehmen sind: Rohstoffe, Hilfs- und Betriebsstoffe, Verpackungsmaterial …
Insgesamt gibt es 36 Standards: drei universelle, die die Grundlagen, die allgemeinen Angaben zum Unternehmen sowie den Managementansatz beschreiben, sowie 33 themenspezifische aus den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Es lohnt sich, die Standards mit allen Pflichtangaben, Indikatoren und Empfehlungen einmal zu studieren. Sie stellen für Unternehmen eine Art Checkliste dar, mit deren Hilfe die einzelnen Bereiche systematisch auf Fragen der Nachhaltigkeit abgeklopft werden können. Sie zeigen nicht nur, worüber berichtet werden sollte, sondern liefern auch konkrete Ideen für ein nachhaltigeres Vorgehen.
Deutscher Nachhaltigkeitskodex
Der zweite Berichtsrahmen, der in Deutschland vor allem bei klein- und mittelständischen Unternehmen zum Einsatz kommt, ist der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK). Er stammt vom Rat für Nachhaltige Entwicklung, einem Beratungsgremium mit Mandat der Bundesregierung. Ein Nachhaltigkeitsbericht nach DNK betrachtet 20 verschiedene Kriterien. Der DNK ist wesentlich kompakter als der GRI SRS und bietet sich vor allem für Unternehmen an, die erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen und sich in das Thema zunächst einarbeiten wollen. Ein weiterer Vorteil ist, dass es spezielle DNK-Leitfäden für unterschiedliche Branchen gibt, die sehr konkrete Hinweise und Hilfestellungen für den Nachhaltigkeitsbericht geben. Bei den Indikatoren, die berichtet werden sollen, bezieht sich der DNK wiederum auf den GRI SRS, der sich weltweit durchgesetzt hat und Vergleichbarkeit ermöglicht.
Vorsicht: Manche der Ergänzungen beziehen sich noch auf die Vorgängerversion der GRI SRS, den sogenannten GRI-G4-Standard. Auf www.globalreporting.org können Sie sich nach Anmeldung eine Referenztabelle zwischen GRI G4 und GRI SRS herunterladen.
Den fertigen Nachhaltigkeitsbericht können Sie beim DNK einreichen. Dort wird der Bericht geprüft und Sie erhalten ein Feedback samt Verbesserungsvorschlägen. Wenn alle DNK-Bedingungen erfüllt sind, kann Ihr Nachhaltigkeitsbericht in die DNK-Datenbank aufgenommen werden und Ihr Unternehmen darf das DNK-Logo nutzen.
Die Wesentlichkeitsanalyse
Mithilfe der Wesentlichkeitsanalyse ermitteln Sie systematisch, welche Aspekte Ihrer Geschäftstätigkeit für ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit bedeutsam sind und über welche Tätigkeiten Sie in welcher Tiefe berichten sollen. Die Wesentlichkeitsanalyse ist von zentraler Bedeutung für Ihren Nachhaltigkeitsbericht, gleichgültig, welches Rahmenwerk Sie nutzen.
Beide genannten Berichtsrahmen fordern, die Stakeholder in die Wesentlichkeitsanalyse einzubeziehen. Welche Nachhaltigkeitsaspekte halten Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten für wichtig? Die Unternehmen sollen die Innensicht verlassen und in den Dialog mit den zentralen Bezugsgruppen treten.
Dazu das Beispiel „Kinderarbeit“: Der Standard GRI 408 fordert die Abschaffung der Kinderarbeit und das Kriterium 17 im Deutschen Nachhaltigkeitskodex fordert die Einhaltung der Menschenrechte, unter die auch die Kinderrechte nach der Kinderrechtskonvention fallen. Muss ein Unternehmen nun also explizit zu diesem Punkt berichten? Das kommt darauf an.
- Für ein Unternehmen, das ausschließlich in Deutschland produziert, ist Kinderarbeit kein Thema. Die ist hier verboten und das Verbot wird streng überwacht. Bei der Wesentlichkeitsanalyse werden weder die internen noch die externen Stakeholder Kinderarbeit als wichtiges Thema benennen. Im Nachhaltigkeitsbericht findet sich hierzu nur der Hinweis, dass dieser Aspekt für die eigene Geschäftstätigkeit nicht relevant ist.
- Handelt es sich dagegen um ein Unternehmen, das Produkte aus dem Ausland bezieht, kann Kinderarbeit durchaus relevant sein – nämlich dann, wenn sie bei Zulieferern beispielsweise in Asien stattfindet. Intern wird das Thema möglicherweise schon lange nicht mehr diskutiert, weil Lieferverträge entsprechende Klauseln enthalten, weil die Einhaltung des Verbots regelmäßig vor Ort kontrolliert wird und weil das Unternehmen mit NGOs zusammenarbeitet, die dafür sorgen, dass die Kinder in die Schule statt in die Fabrik gehen. Für die Kunden aber ist es wichtig, dass die gekauften Produkte nicht in Kinderarbeit hergestellt werden – das ergibt die Befragung, die im Zuge der Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt wird. Das Unternehmen ist also gut beraten, in seinem Nachhaltigkeitsbericht auf den Punkt „Kinderarbeit“ einzugehen und die eigenen Maßnahmen zu beschreiben.
Und was soll das alles?
Einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, ja sich überhaupt erst einmal systematisch mit Nachhaltigkeit im Unternehmen zu beschäftigen, ist aufwendig. Und so manches Unternehmen, das durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz dazu gezwungen wird, tut dies nur widerwillig – was man den entsprechenden Berichten auch anmerkt. Andere aber haben den Nutzen dieser Berichte erkannt:
- Der Nachhaltigkeitsbericht ist ein Mittel zur Unternehmensentwicklung. Den Wunsch, nachhaltiger zu agieren, haben viele Unternehmer. Dahinter stecken auch oft knallharte monetäre Motive: Ein geringerer Wasser- und Stromverbrauch senkt auch die Kosten.
- Der Nachhaltigkeitsbericht dient dem eigenen Marketing. Endkunden achten immer häufiger darauf, wo die Produkte herkommen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden. Unternehmen, die besonders nachhaltig vorgehen, können entsprechende Maßnahmen im Nachhaltigkeitsbericht dokumentieren und so Kunden überzeugen.
- Der Nachhaltigkeitsbericht ist ein Instrument der Öffentlichkeitsarbeit. Viele Unternehmen engagieren sich bereits in irgendeiner Form gesellschaftlich oder ökologisch – und sei es, dass der örtliche Sportverein unterstützt wird oder es Programme zur Integration von Flüchtlingen gibt. Der Nachhaltigkeitsbericht soll solche Maßnahmen sichtbar machen.
- Der Nachhaltigkeitsbericht schafft Transparenz. Nachhaltige Ziele zu benennen ist leicht. Sie einzuhalten, erfordert hingegen eine Strategie, einen Maßnahmenplan und auch entsprechende Mittel. Irgendwann früher oder später muss der Bericht neu geschrieben werden und von diesem Moment an liegen Vergleichswerte vor: Konnte das Unternehmen den Wasserverbrauch tatsächlich senken oder ist es daran gescheitert? Ist es ihm gelungen, die Fluktuation bei den Arbeitnehmern zu senken, oder ist sie gestiegen? Die Unternehmensentwicklung wird auf diese Weise transparent.
Der Nachhaltigkeitsbericht mag auf den ersten Blick aufwendig erscheinen. Richtig eingesetzt aber ist er ein wertvolles Instrument, um das Unternehmen sinnvoll auf die Zukunft vorzubereiten.
Dieser Text ist erstmals Februar 2019 im sekretaria Magazin erschienen. Ich bedanke mich für die Genehmigung, ihn hier zu veröffentlichen.